Am Sonntag, den 12. November 1876 hielt der erste fahrplanmäßige Zug auf der neuerbauten Strecke Aschaffenburg-Miltenberg in Obernau. Somit erhielt Obernau - 41 Jahre nach der Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnstrecke Nürnberg-Fürth am 7. Dezember 1935 - Anschluß an die weite Welt durch das wichtige Verkehrsmittel Eisenbahn.

Zwar hatte der Münchner Landtag bereits am 10. November 1861 das Projekt Maintalbahn von Aschaffenburg nach Miltenberg befürwortend behandelt, es wurde jedoch erst am 16. September 1874 vom damaligen Außenministerium endgültig genehmigt. Die relativ späte Erschließung der Strecke Aschaffenburg-Miltenberg für den Schienenverkehr lag daran, daß die Strecke abseits wichtiger Städteverbindungen wie Würzburg-Frankfurt war. Die Strecke besaß lediglich Distrikt- oder Regionalcharakter.

 

Anfangs konkurrierten die beiden Streckenführungen links und rechts des Mains. Es gab zahlreiche Anträge, Eingaben und Rentabilitätsberechnungen, die sowohl die links- als auch die rechtsmainische Streckenführung favorisierten. Die linksmainische Linie sah den Verlauf von Aschaffenburg über Niedernberg, Großwallstadt, Obernburg, Wörth und Miltenberg vor, während die rechtsmainische Linie über die Orte Obernau, Sulzbach, Kleinwallstadt, Elsenfeld, Erlenbach, Klingenberg und Miltenberg geplant war. Nach vielen Versuchen, bei den maßgeblichen Stellen die Streckenführung für die jeweiligen Interessen zu beeinflussen, wurde letztendlich die rechtsmainische Linienführung beschlossen:

„Die Linie geht vom Bahnhof Aschaffenburg aus und wendet sich in einem Bogen nach der Fasanerie zu, kreuzt die Wege von Schießplatz und der Staatsstraße nach Würzburg, überschreitet den Mühlbach oberhalb der Eckertsmühle, erreicht die Abdachung des Bischberges an der Distriktstraße nach Klingenberg und tritt sodann in das Maintal. Von hier zieht die Bahn am Fuße des Bischberges am Rande des Zwerch Raines und Obernauer Waldes hin bis zu dem Tälchen des Altenbaches“.

Schon in den Anfängen der Planung sollte Obernau eine Haltestelle bekommen. Dafür waren schon in den ersten Rentabilitätsberechnungen der Stecke die Kosten für den Bahnhofsbau mit 5000 Gulden veranschlagt worden. Für die gesamte Stecke Aschaffenburg-Miltenberg waren 3 Millionen Gulden eingeplant.

Über den eigentlichen Bau des Bahnhofes und des Bahnwärterhauses am Übergang der Sulzbacher Straße ließen sich trotz der Bemühungen bei den Bahnverwaltungen Obernburg, Aschaffenburg und Nürnberg keine schriftlichen Quellen ermitteln. Lediglich im Gedenkbuch der Pfarrei Obernau vermerkte Pfarrer Waldhäuser in jener Zeit, daß beim Bau der Bahnlinie auch Italiener beschäftigt waren, die fleißig arbeiteten und sparsam lebten. Ein Bauplan de Bahnhofes von Obernau wurde von der Bundesbahnverwaltung in Aschaffenburg ausfindig gemacht. Dieser Plan war von der Reichsbahndirektion Nürnberg in den 1930er Jahren angefertigt worden .

Danach gliedert sich der Bahnhof in ein Haupt- und in ein Nebengebäude in T-förmiger Ausführung. Im Hauptgebäude waren der Dienstraum und das Treppenhaus zum Keller und Dachgeschoß untergebracht. Im Nebengebäude lagen der Warteraum und ein Ölraum so wie eine Telefonkabine.

Das Dachgeschoß war anfangs bewohnt, wie aus der Abbildung ersichtlich ist. Diese Abbildung zeigt entgegen dem später gezeichneten Plan jedoch keine direkten Zugang vom Dienstzimmer zum Bahnsteig. Auf diesem vermutlich ältesten Foto des Obernauer Bahnhofes zeigt die Giebelseite ein Fenster mit einer Sitzbank davor. Im Obergeschoß erkennt man eine Paar, das möglicherweise das Obergeschoß bewohnt hat. Bis zum Jahre 1914  hat dann der Bahnhof Veränderungen erfahren. Diese werden aus Abbildung 4 deutlich. Diese Postkarte, die am 4. März 1914 geschrieben und am folgenden Tag abgestempelt wurde, zeigt gegenüber Abbildung 3 anstelle des Fensters im Erdgeschoß eine Eingangstür zum Dienstzimmer.  An  der Giebelseite befinden sich auch schon Leitungen und Isolatoren einer inzwischen installierten Telefonverbindung, die um die Jahrhundertwende eingebaut worden war. Eine zusätzlich Lampe - am schön geschwungenen Lampenmast aufgehängt. - war sicher im Zuge der gleichen Umbaumaßnahmen  aufgestellt worden. Der Dienst wurde offenbar von den drei Schnurrbart tragenden Beamten versehen. Spätere Umbaumaßnahmen sind nicht datiert.

In der Ortschronik von Oberlehrer Klug - angelegt 1908 - wird die Telefonverbindung erwähnt und deren Einrichtung für einige Jahre nach 1891 angegeben.

Erst aus dem Jahre 1983 gibt es wieder eine Aufnahme vom Bahnhof in Obernau. Die läßt erkennen, daß der Bahnhof inzwischen mit Uhr und Neonbeleuchtung ausgestattet wurde. Auch die Dampflokomotive hatte auf dieser Strecke ausgedient und war der umweltfreundlicheren und wirtschaftlicheren Diesellok gewichen. Inzwischen beginnt die Demontage des Obernauer Bahnhofes.

Mit Wirkung des Sommerfahrplanes am 28. Mai 1989  halten keine Züge mehr in Obernau. Besetzt ist der Dienstraum nur noch von Schrankenwärtern zur Bedienung der Schranken der Mozart-, Bahnhof- und Sulzbacher Straße.

Sogar vom Abriß des Bahnhofes ist zu hören. Daß die Bundesbahn damit Ernst machen will, zeigen die Aufnahmen vom Abbau der Bahnhofsuhr, angeblich um Wartungskosten zu sparen. Man konnte nur hoffen, daß das Gebäude, an dem die Stadt Aschaffenburg Interesse zur weiteren Nutzung bekundet hatte, als ein Stück vergangener Bahnhofsromantik erhalten bleibt.

Auf dem Obernauer Weihnachtsmarkt im Jahre 1996 schließlich versprach Oberbürgermeiser Dr. Willi Reiland das Gebäude zu erhalten und einer Gemeinnützigen Vereinigung aus Obernau zu übergeben. Erster Interessent war der Schachclub Obernau der den Bahnhof für seine Vereinszwecke wieder herrichten wollte. Am 6. Oktober 1997 wurde nach langer Verhandlungszeit mit der Bahn und der Stadt Aschaffenburg, ein Pachtvertrag besiegelt und der Schachclub konnte am 3. November 1997 zum erstenmal die Bahnhofsräume betreten.

Der Innenputz sowie Teile des Bodens waren sehr stark in Mitleidenschaft geraten und auch sonst mußten einige Wände entkernt werden. Eine komplette Sanierung war angesagt. Mittlerweile wollte man den Bahnhof oder Teile davon wieder als Haltestelle nutzen, dieses wurde jedoch vom Schachclub abgewehrt. Eine Haltestelle, wenn sie doch noch kommen sollte. wird, wie von der Stadt bestätigt, weiter nördlich eingerichtet werden um die Bemühungen des Vereins nicht zunichte zu machen.

Auch derzeitige Unkenrufe den Bahnhof wieder für eine Haltestelle zu eröffnen sind aus der Luft gegriffen und der Schachclub wird seine Bemühungen fortsetzen um den Bahnhof mit seinem Umfeld für seine Vereinsbelange zu nutzen und ein Bahnhofsflair zu erhalten.